Unser Kirchentagebuch 37

Wer fällt Ihnen ein, wenn Sie gefragt werden, welche Heiligen Sie kennen?

 

 

Der heutige Tagebucheintrag ist von:
Pfarrer Rolf Glaser

Freitag, 24. April 2020

 

Wer fällt Ihnen ein, wenn Sie gefragt werden, welche Heiligen Sie kennen? Die Gottesmutter Maria? die Apostel? Der hl. Franz von Assisi? Die hl. Hildegard von Bingen?…

Heute ist der Geburtstag eines Heiligen, der selbst wenig Aufhebens von sich gemacht hat. Ich möchte Sie aus der Isolation und Blickverengung durch Kontaktverboten und Corona-Dauerberieselung seitens der Medien entführen und zu einer Zeitreise einladen: in die Zeit unseres Geburtstagskindes, des hl. Vinzenz von Paul, eines „Helden“ des Alltages – all den Heldinnen und Helden des Alltags heute gewidmet.

Er wird am 24. März 1581 als Sohn eines armen Bauern in der französischen Gascogne geboren. Er erlebt seine Kindheit als Schweinehirt auf dem elterlichen Hof einerseits und in den Wirren des Krieges zwischen Katholiken und Hugenotten andererseits. Die Heerhaufen plündern die armen Bauern und begegnen ihnen mit roher Gewalt. „Ich hasse den Krieg!“ schreibt der 15jährige in sein Schulheft.

Zu diesem Zeitpunkt besucht er die Lateinschule und kann auf Vermittlung eines Rechtsanwaltes schließlich Theologie studieren. Sein Vater verkauft zur Finanzierung des Studiums ein Ochsengespann, ein Vermögen für den armen Mann. Vinzenz von Paul wird schließlich mit 19 Jahren Priester und unterliegt zunächst der Versuchung eines sozialen Aufsteigers. Mit wechselndem Erfolg giert nach er Ansehen, will Karriere machen und im Wohlstand leben.

Da ein erster Schicksalsschlag! Bei einer Seereise wird sein Schiff von Sklavenhändlern überfallen und  er wird in die Sklaverei verkauft. Zwei Jahre verbringt er als Sklave, bis ihm schließlich die Flucht gelingt. Zunächst will er sein altes Leben wieder aufnehmen, seine Ambitionen scheitern aber mehrfach aufgrund unglücklicher Umstände

1609 sieht man ihn als bettelarmen Priester in Paris, wo er – vom Tropenfieber geplagt – nun in einem dürftigen Zimmerchen in einem Vorort lebt.- Schließlich wird er auf die Vermittlung eins Sekretärs  zum „Almosenverwalter“ von Königin Marguerite de Valois. Nun verzichtet er auf eine Dienstwohnung im Palast und bleibt in seiner schlichten Behausung. Erhebliche Mittel, die ihm nun zufließen, steckt er in ein Hospital, das er gründet. Es ist der erste Baustein von zahlreichen caritativen Werken, die er ins Leben ruft. Der große evangelische Pfarrer und Pädagoge, Johann Hinrich Wichern, Begründer des „rauen Hauses“ in Hamburg, sagt über ihn: der „Unerreichte in allen Landen“ auf dem Gebiet der Caritas.

Er kümmert sich um die arme Landbevölkerung, um die Bettler in den Städten, um Findelkinder, um Sklaven, um „Geisteskranke“: „Unsere Regel ist unser Heiland selber, der sich umgeben wollte mit Irren, besessenen, Tollen, verrückten. Von allen Seiten brachte an sie zu ihm, damit er sie befreie und heile…“.- Er reformiert das Leben der Priester und die Priesterausbildung: „Sprechen Sie überzeugend von der barmherzigen Liebe!“ Auch die Seelsorge an den Galeerensträflingen liegt ihm am Herzen. Ein Biograph berichtet, er habe sich selbst anstelle eines Familienvaters an die Ruderbank anschmieden lassen, so diesem zur Flucht verholfen und wochenlang selbst das Schicksal der Galeerensträflinge geteilt – bevor man ihn schließlich erkannte und befreite. Er gründet die Caritasbruderschaften (in Deutschland gibt es bis heute die Vinzenz-Vereine bzw. Konferenzen, Vorläufer der modernen Caritasarbeit) sowie mehrere caritative Orden, darunter die barmherzigen Schwestern, denen im Jahre 2006 21.000 Schwestern angehörten. „Die Armen seien Euer Brevier, eure Litaneien!“

Und er legt sich mit den Großen und Mächtigen an. Kardinal Richelieu tritt er entgegen: Geben Sie uns Frieden, Monseigneur! Haben Sie Mitleid mit uns! Geben Sie Frankreich den Frieden.“ Und als 70jähriger durchschwimmt er die eisige Seine, um zur Königin vorzudringen und von ihr Mitleid für das belagerte und hungernde Paris zu erflehen und – zunächst erfolglos – die Ablösung des Warlords Kardinal Mazarin zu verlangen. Ein später Triumph ist das Duellverbot, das er 1651 erwirkt. 1660 stirbt Vinzenz von Paul  „geräuschlos, unauffällig, schlicht und einfach“ (Gisbert Kranz, Sie lebten das Christentum).

Menschen, wie Vinzenz von Paul, sind für mich Mutmacher in schwierigen Zeiten, Kronzeugen einer Barmherzigkeit, die verändert und ebenso  Kronzeugen gegen die allgemeine Larmoyanz. Es gibt sie auch heute!

Ihr Pfarrer Rolf Glaser

 

Bitte,
denken sie auch an die Menschen in ihrer Umgebung, die nicht über einen Internetzugang verfügen und drucken sie das Kirchentagebuch aus und werfen es ihren Nachbarn, Freunden und Bekannte bei einem kleinen Spaziergang in den Briefkasten!
Vielen Dank