Eröffnung der Renovabispfingstaktion 2019

Am 1. juni 2019 um 18:00 Uhr wurde in St. Hedwig die diesjährige Renovabis-Pfingstaktion mit einem Festgottesdienst eröffnet. Die Messe wurde von Pfarrer Rolf Glaser gehalten, der auch die Begrüßung vornahm; als Prediger konnte Pfarrer Mykhailo Fetko aus der Ukraine von der Griechisch-Katholischen Kirche gewonnen werden.

Ausgehend vom Evangelium (Joh. 17,20-26, Jesu Fürbitte für alle Glaubenden und Einheitsbitte) erläuterte Pfarrer Mykhailo Fetko ausgehend von der Einheitsbitte, dass wohl kein Wunsch Jesu weniger erfüllt wurde, als genau diese Einheit im Glauben. Die Welt ist zerstritten, aber nicht nur dort, auch in der Politik, in der Schule, in der Familie, ja selbst unter Christen ist man von der Einheit weit entfernt. Es fehle an Brücken zwischen den Menschen, Parteien und Interessensgruppen, Völker und Religionen. Hier sei  der Glaube an Jesus Christus eine wichtige Inspirationsquelle für alle Menschen, die Brücken bauen. Das Leben Jesu habe die Menschen, die an ihn glauben, verändert. Alle zivilisatorische Errungenschaften in der westlichen Welt haben wir Jesus zu verdanken. Nicht umsonst wird der Papst als Pontifex Maximus, also oberster Brückenbauer bezeichnet. Papst Franziskus spricht oft von der Kultur der Begegnung, das barmherzige Zugehen auf den anderen.

Nach dem Festgottesdienst hielt dann Pfarrer Mykhailo Fetko noch einen Vortrag über das Thema „Lernerfahrungen 5 Jahre nach dem Euromaidan: Gewinne, Verluste, Hoffnungen„. Moderiert wurden die Einleitung sowie die nach dem Vortrag gestellten Fragen und Antworten  von Herwig Steinitz (Stellv. Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde
und Mitglied des Hedwigsforums)

Beginnend mit einem Zitat von John Doring: Education is not preparation for life; education is life itself – Bildung ist nicht die Vorbereitung auf das Leben, sondern es ist das Leben selbst, führte er aus, dass das Lernen existenziell ist. Lernen beinhaltet alle Möglichkeiten für die Zukunft.

Zunächst analysierte Pfarrer Mykhailo Fetko das post- bzw. neosowjetische politische Modell vor den Ereignissen des Maidan. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach 1989 bildete sich das neosowjetische Modell heraus, das Elemente der alten kommunistischen Ideologie, aber auch Elemente des Kapitalismus des westlichen Systems enthielt.

Das System hat gelernt zu imitieren und vorzugeben etwas anderes zu sein, als es tatsächlich ist. Demokratische Funktionen werden simuliert durch Manipulation und Gebrauch einer Sprache mit doppelter Semantik. Es werden Worte benutzt wie Demokratie, Gerechtigkeit, etc., die jedoch eine andere Bedeutung erhalten. So werden die Bedeutungen auf die eigene Bedürfnisse hin angepasst. Wenn zum Beispiel von Demokratie gesprochen wird, so ist in Wirklichkeit Gewalt und Kriminalitität vorherrschend. Auf der anderen Seite erhält das neosowjetische System einen quasi-religiösen Anstrich. So werden verschiedene Elemente zu einer neuen Ideologie vermengt, mit der man das eigentliche Vorhaben verschleiert. Bis 2013 war dieses System unter der Herrschaft von Präsident Wiktor Janukowitsch auch in der Ukraine zu sehen. Hierbei spielt die orthodoxe Kirche eine entscheidende Rolle, da viele religiöse Elemente Eingang in das neosowjetische Modell gefunden hat.

Die Proteste am Maidan wurden ausgelöst durch die Weigerung des Präsidenten Wiktor Janukowitsch, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterschreiben. Die Weigerung war jedoch – so Pfarrer Mykhailo Fetko – nicht der eigentliche Grund, sondern der eigentliche Konflikt wurde erst ausgelöst, als die Polizei die Demonstranten verprügelte. Ein System, das seine friedlich protestierende Bevölkerung niederprügelt, hat seine Legitimation verloren. Zunächst noch europäisch ausgerichtet, ging es jetzt zunehmend um grundlegende Menschenrechte und Menschenwürde, die immer stärker eingeschränkt wurden. Dabei kamen mehr als 100 Menschen ums Leben. Auch wollte man keinesfalls zurück zu sowjetischen Verhältnissen/Einflüssen.

Nach dieser Einführung erläuterte Pfarrer Mykhailo Fetko – Bezug nehmend auf das Thema – nun die weitere Entwicklung: Schwierige Lage seit fünf Jahren, sowohl für die Regierung, als auch für das Volk:

  • Annexion der Krim
  • Krieg im Osten der Ukraine
  • viele Getötete
  • fast 2 Millionen Binnenflüchtlinge
  • Inflation
  • viele junge Menschen haben das Land verlassen

Schon 2014 war klar, dass der Umbau der Ukraine von einem korrupten Staat in eine Demokratie schwierig werden würde. Dabei ist es bemerkenswert, dass die ausländischen Partner die Situation optimistischer einschätzten, als die internen Experten und das Volk selbst, was sicher auch an den übertriebenen Erwartungen nach einer Revolution lag. Problematisch war es auch, dass die allgemeine und wirtschaftliche Erholung des Landes nicht so schnell wie gewünscht voranschritt. Trotzdem sind Fortschritte erkennbar, die zur langsamen Erholung des Landes führen.

Die Gewinne des Maidan sieht Pfarrer Mykhailo Fetko im:

  • Zusammenhalten der Bevölkerung nach der Annexion der Krim-Halbinsel,
  • im Neustart des politischen Systems,
  • die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens mit der EU und
  • der Visaliberalisierung für ukrainische Bürger sowie
  • die Dezentralisierungsreform und
  • Gesundheitsreform.
  • Auch gibt es jetzt mehr Transparenz bei der Ausgabe öffentlicher Mittel für den Medikamentenkauf.
  • Verbesserter Zugang zu öffentlichen Einrichtungen im Internet,
  • Fortschritte im Banksystem.
  • Schaffung einer Antikorruptionsinstitution.

Verluste seit dem Maidan:

Empörung und der Wunsch nach Gerechtigkeit der Menschen seit dem Angriff auf Protestierende 2013 bildeten eine mächtigen Impuls zur Entstehung des Euro-Maidans,
jedoch ist die Justiz bis heute nicht reformiert, die Schuldigen noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden.

  • Freilassung einiger verdächtigter Polizisten
  • Fehlende Aufklärung der Morde an Journalisten und Bürgerrechtler
  • Ineffektives Gerichtssystem
  • Bürokratie und Oligarchen als Hindernisse für eine Neuentwicklung

 

  • Positiv ist zu vermelden, dass die Einbindung in das europäische Umfeld Fortschritte verzeichnet
  • Dekommunisierungspolitik und Stärkung der ukrainischen Nationalidentität
  • Gründung der Orthodoxen Kirche

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Erfolge die Probleme bei der inneren Modernisierung kompensieren.